In letzter Zeit häufen sich die Anfragen von verzweifelten Eltern von jungen Menschen. Kommen diese zur Therapie, stellt sich heraus, dass die Depression u. a. auch von der Perspektivenlosigkeit und Ratlosigkeit der jungen Menschen bezüglich der drohenden Veränderungen durch den Klimawandel gespeist wird. Wie dem therapeutisch entgegenwirken? Als Therapeutin muss ich hier meine neutrale Rolle verlassen und vielleicht eine Beraterinnenposition einnehmen und wie Carola Rakete aufrufen zu: Handeln statt hoffen! Neben klimafreundliche Veränderungen im eigenen Leben anzugehen, ist an einem Klimastreik teilzunehmen eine Möglichkeit, den Politikern zu zeigen, was uns Bürgern wichtig ist.
WHAT DO WE WANT? CLIMATE JUSTICE! Gemeinsam mit vielen Menschen auf der ganzen Welt fordern wir ein, was die einzig realistische Antwort auf die drohende Klimakatastrophe ist: eine mutige Klimapolitik in Einklang mit dem 1,5°C-Ziel.
Am 29.11.2019 um 13.00 Uhr findet der IV. weltweite Klimastreik z. B. in Linz statt. An anderen Orten in Österreich und weltweit wird ebenfalls gestreikt.
Als Psychotherapeutin beschäftigen mich nicht nur die
Behandlung und Arbeit mit erkrankten Menschen. Ich überlege auch – nicht
zuletzt aus Eigennutz – wie man in Zeiten von Klimakrise, Politikverdrossenheit,
Unruhen, Kriegen, Gefahren der Aufrüstung, etc. überhaupt seelisch gesund
bleiben kann.
Zum einen hat unsere psychische Natur gute Methoden
entwickelt, (lebens)bedrohende Ereignisse, die nicht unmittelbar verarbeitet
werden können, abzuwehren, abzuspalten, zu verleugnen oder zu verdrängen. Diese
Schutzmechanismen sind überlebensnotwendig. Anders würden Menschen traumatische
Erfahrungen nicht verarbeiten können.
Ich beobachte diese Phänomene besonders in der derzeitigen
Klimadiskussion. Nicht nur Politiker, sondern auch kritisch denkende Menschen
schalten auf „Durchzug“, wenn das Wort Klimakrise fällt. Es ist ein großes
Thema, das wenn man es angeht, sämtliche vorhandenen Systeme weltweit
(Wirtschaft, Handel, Leben, Konsum, Mobilität, Ernährung, Verteilung, Wohnen,
soziale Gerechtigkeit etc.) in Frage stellt. Ich behaupte, den Klimawandel zu
ignorieren oder gar zu leugnen, wie es besonders im Umfeld von
rechtspopulistischen Parteien geschieht, ist die größte Verdrängungsleistung
der Menschheit.
Wie sollte man daher
idealerweise mit Katastrophen umgehen? Wie sollte man darüber sprechen?
Denn, wenn das Problem zu groß ist (oder zu groß gemacht
wird), ignorieren es die Menschen einfach, werden passiv und geben auf. Das
passiert viel eher, als dass der Einzelne/die Einzelne Anstrengungen unternimmt,
etwas dagegen zu tun. Jemand anderem die Schuld zuzuschieben hilft auch nicht
weiter, ist aber natürlich einfacher. Dazu kommt, dass sich die meisten Menschen
in ihrem täglichen Alltag/Hamsterrad fangen lassen. Oder handelt es sich bei
dem „Fangenlassen“ auch wieder um Abwehr?
Was steht dieser
Entwicklung entgegen und was lässt sich tun?
Wenn die oben genannten Abwehrmechanismen nicht mehr ausreichend greifen, kann es so weit kommen, dass Menschen eine affektive Störung (z. B. eine Depression) entwickeln. Greta Thunberg, die Ikone der Klimabewegung, ist das in jüngeren Jahren passiert.
Selbstverständlich sollte, wenn irgendwie möglich, eine
krankheitswertige Störung vermieden werden! Als Psychotherapeutin empfehle ich,
Handlungen zu setzen, anstatt passiv abzuwarten und zu lamentieren. Eine Selbsterfahrung
im Rahmen einer Therapie wäre natürlich auch eine Möglichkeit. Die
Sinnlosigkeit und Ohnmacht egal welcher Materie gegenüber, lässt sich am besten
durch Selbstwirksamkeit bekämpfen.
Das
Konzept der Selbstwirksamkeitserwartung
wurde von dem Psychologen Albert Bandura entwickelt. Hierbei handelt es sich um
die Erwartung einer Person, mithilfe eigener Kompetenzen gewünschte Handlungen
erfolgreich ausführen zu können. Etwas aus eigener Kraft bewirken zu können, an
sich zu glauben und auch in schwierigen Situationen selbständig handeln zu
können, zeigt eine hohe Selbstwirksamkeit. Dazu gehört die Annahme, man könne
als Person gezielt Einfluss auf die Dinge und die Welt nehmen, statt
Veränderungen dem Zufall oder anderen äußeren Einflüssen zu überlassen.
Selbstwirksamkeit ist ein Bedürfnis des Menschen. Je mehr Selbstwirksamkeit ein
Mensch erlebt, umso höher wird seine/ihre Ausdauer bei der Bewältigung von
Aufgaben. Gleichzeitig sinkt die Gefahr, an Angststörungen oder Depression zu
erkranken. Ein positiver zirkulärer Effekt also.
Ein Problem wie den Klimawandel zu ignorieren macht die
psychischen Folgen schlimmer. Hingegen den Weg aus der Isolation zu wagen, sich
mit anderen zu solidarisieren, sich zu engagieren und auszutauschen erweist
sich als günstig.
Aber, und hier zitiere ich aus einem Interview mit dem
deutschen Ex-Politiker und evangelischen Theologen Ulrich Kasparick: „Ein Mensch, der sich in diesem
Themenbereich engagieren will, braucht eine sehr gute seelische Hygiene, ein
gutes seelisches Gegengewicht,
positive seelische Energie, denn sonst verliert man den Verstand. Er muss auf
sich gut aufpassen. Es ist eine große Gefahr. Das ist ganz, ganz wichtig. Das
bedenken manche NGOs nicht. Deshalb ist es immer wieder gut, ein bisschen Abstand zu nehmen. Zumindest den
Versuch zu machen, von außen drauf zu gucken. Dann auch unterscheiden zu
lernen: Was ist mir möglich, was ist mir nicht möglich. Das Problem bei diesen
Fragestellungen ist, dass man sich überfordert mit globalen Fragestellungen,
das können wir individuell nicht hinkriegen und stattdessen zu sehen, was ist uns möglich, dann wieder wie
bei Greta, den Schritt zu sehen und auch zu tun. Das ist bei vielen dann das
Problem, es zu tun.“
Lebens- und Sinngewinn sind durch ein nachhaltigeres Leben möglich. Lieber sitze ich in der leeren Praxis und Sie streiken währenddessen für den Klimaschutz oder setzen Handlungen, die sich positiv auf Ihr seelisches Befinden und unsere Gesellschaft auswirken und ich hänge meinen Beruf an den Nagel, weil nicht Arten ausgestorben sind, sondern die depressiven Erkrankungen.
Endlich. Eine Autorin schreibt namentlich über ihre eigene Geschichte mit der Angst. Sie nennt die Angst und sich beim Namen und schreibt ohne Pseudonym: Ein weiterer Beitrag zur Enttabuisierung von psychischen Störungen! Dankeschön!
Der Text am hinteren Cover macht neugierig. Sie schreibt: „An guten Tagen wache ich auf und bin eine Schildkröte. Dann spaziere ich bepanzert bis an die Zähne durch die Straßen, Tunnelblick an und los. An schlechten Tagen wache ich auf und bin ein Sieb. Geräusche, Gerüche, Farben plätschern durch mich hindurch wie Nudelwasser, ihre Stärke bleibt an mir kleben und hinterlässt einen Film, der auch unter der Dusche nicht abgeht. Ich taumle durch den Tag, immer auf der Suche nach etwas, woran ich mich festhalten kann.“
Die Autorin beschreibt ihr Leben mit der Angst. Diese wird von ihr oft buchstäblich personifiziert wahrgenommen. Sie ist ihre Begleiterin. Sie beschreibt ihre Versuche, sie loszuwerden, zu ignorieren, sich abzulenken. Auch Psychotherapie ist ein Thema. Ihr zweiter Anlauf beschert ihr einen für sie passenden Therapeuten – Dr. Goldberg. Hier eine kleine Kostprobe aus der Therapiestunde:
„Sie sind
genau richtig so, wie Sie sind“, sagt Dr. Goldberg. „Aber das ist doch mal ein
schöner Anlass,über Grenzen zu
sprechen.“ Er schlägt die Beine übereinander und grinst.
Natürlich weiß
Dr. Goldberg ganz genau, wo meine Schwachstellen sind, aber anstatt mit dem
Finger in der Wunde rumzubohren, guckt er erst mal aus angemessener Entfernung
drauf und wartet ab, bis ich selbst so weit bin, das Pflaster abzuspulen. Das
rechne ich ihm hoch an. Außerdem mag er meine Metaphern.
Grenzen also.
Ich muss an die Schildkrötentage denken, an denen ich einen natürlichen Abstand
zum Rest der Welt habe, und daran, wie rar sie sind. Ich seufze.
„Im
Grenzensetzen bin ich schlecht, fürchte ich.“
„Ach! Wie kommen Sie denn darauf?“
Wir wissen
beide, dass er das ironisch meint.
„Zum Beispiel
dieser Text, an dem ich zuletzt gearbeitet habe. Erst fand meine Redakteurin
ihn ganz toll. Und plötzlich will sie ihn um die Hälfte kürzen und alle Witze
rausstreichen. Das war so nicht abgemacht. Ich bin echt sauer.“
„Kann ich
verstehen. Und, wie haben Sie reagiert?“
„Am liebsten
hätte ich ihr direkt eine wütende Mail geschrieben.“
„Haben Sie
aber nicht.“
„Nein.“
„Und warum
nicht?“
„Solange ich
das Gefühl habe, eine wütende Mail schreiben zu wollen, schreibe ich keine
Mail.“
„Sie warten
ab, bis der Ärger verraucht ist.“
„Genau.“
„Warum?“
„Weil ich Angst davor habe, dass ich überreagiere und etwas schreibe, das ich später bereue. Und ich will auf keinen Fall, dass meine Redakteurin sauer auf mich ist.“
„Aber Sie sind
doch sauer auf sie!“
„Ja, aber das
weiß sie ja bisher nicht.“
Das Verrückte
ist, dass ich die rhetorischen Tricks von Dr. Goldberg erkenne und sie trotzdem
wirken. Es ist, als würde ich ein Gespräch mit jemandem führen, der alles ganz
klar und deutlich sieht und schon das Ziel vor Augen hat, während ich im Nebel
herumeiere, und dann leitet er mich ganz behutsam an, wie ich da jetzt am
besten rausfinde – weiter rechts, genau, und jetzt immer geradeaus. Ich bin
Gretel im Gedankenwald, er ist Hänsel, der eine Spur aus kleinen weißen Steinen
legt. Trotzdem fühlt es sich danach jedes Mal so an, als hätte ich den Weg ganz
alleine gefunden.
„Ich fasse mal eben zusammen“, sagt Dr. Goldberg. „Sie sind sauer, wollen das aber nicht mitteilen, weil Sie Angst haben, dass Ihre Redakteurin dann sauer auf Sie ist.“
„Richtig.“
Das Lachen von
Dr. Goldberg klingt eine Spur verzweifelt.
„Wie kommen
Sie eigentlich darauf“, fragt er, „dass Ihre Redakteurin sauer reagieren
könnte?“
„Na, ist doch
klar. Sie will etwas, ich will etwas anderes. Bestimmt denkt sie, ich sei so
eine zickige Autorin mit Allüren. Ich hatte sogar schon versucht ein Mail zu
schreiben, bekam aber gleich beim ersten Satz Herzklopfen, weil ich mir
vorgestellt habe, wie meine Redakteurin ihn liest. Wie sie aufgebracht
ausatmet. Ich sehe das direkt vor mir.“
„Interessant.
Ich wusste gar nicht, dass Sie hellsehen können.“
Ich scheitere
an meinem Lächeln.
Dr. Goldberg
überlegt.
„Verstehe ich
das richtig“, sagt er, „anstatt darüber nachzudenken, wie Sie am besten Ihr
Anliegen formulieren können, stellen Sie sich direkt vor, wie das bei Ihrem
Gegenüber ankommt. Sie machen quasi zwei Schritte auf einmal.“
„Vermutlich.“ (S. 173 ff.)
Der Roman, der tagebuchartig in knappe Kapitel unterteilt ist, überfordert weder sprachlich noch vom Umfang her und auch Wenigleser dürfen – sofern das Thema interessiert – beherzt zum Buch greifen. Absolute Empfehlung! ***