Psychisch gesund bleiben inmitten von Krisen


Die österreichische Klimaforscherin Helga Kromp-Kolb am 12. April 2019 in Linz beim „Streikenden Klassenzimmer“ der Fridays for Future Bewegung

Als Psychotherapeutin beschäftigen mich nicht nur die Behandlung und Arbeit mit erkrankten Menschen. Ich überlege auch – nicht zuletzt aus Eigennutz – wie man in Zeiten von Klimakrise, Politikverdrossenheit, Unruhen, Kriegen, Gefahren der Aufrüstung, etc. überhaupt seelisch gesund bleiben kann.

Zum einen hat unsere psychische Natur gute Methoden entwickelt, (lebens)bedrohende Ereignisse, die nicht unmittelbar verarbeitet werden können, abzuwehren, abzuspalten, zu verleugnen oder zu verdrängen. Diese Schutzmechanismen sind überlebensnotwendig. Anders würden Menschen traumatische Erfahrungen nicht verarbeiten können.

Ich beobachte diese Phänomene besonders in der derzeitigen Klimadiskussion. Nicht nur Politiker, sondern auch kritisch denkende Menschen schalten auf „Durchzug“, wenn das Wort Klimakrise fällt. Es ist ein großes Thema, das wenn man es angeht, sämtliche vorhandenen Systeme weltweit (Wirtschaft, Handel, Leben, Konsum, Mobilität, Ernährung, Verteilung, Wohnen, soziale Gerechtigkeit etc.) in Frage stellt. Ich behaupte, den Klimawandel zu ignorieren oder gar zu leugnen, wie es besonders im Umfeld von rechtspopulistischen Parteien geschieht, ist die größte Verdrängungsleistung der Menschheit.

Wie sollte man daher idealerweise mit Katastrophen umgehen? Wie sollte man darüber sprechen?

Denn, wenn das Problem zu groß ist (oder zu groß gemacht wird), ignorieren es die Menschen einfach, werden passiv und geben auf. Das passiert viel eher, als dass der Einzelne/die Einzelne Anstrengungen unternimmt, etwas dagegen zu tun. Jemand anderem die Schuld zuzuschieben hilft auch nicht weiter, ist aber natürlich einfacher. Dazu kommt, dass sich die meisten Menschen in ihrem täglichen Alltag/Hamsterrad fangen lassen. Oder handelt es sich bei dem „Fangenlassen“ auch wieder um Abwehr?

Was steht dieser Entwicklung entgegen und was lässt sich tun?

Wenn die oben genannten Abwehrmechanismen nicht mehr ausreichend greifen, kann es so weit kommen, dass Menschen eine affektive Störung (z. B. eine Depression) entwickeln. Greta Thunberg, die Ikone der Klimabewegung, ist das in jüngeren Jahren passiert.

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Selbstverständlich sollte, wenn irgendwie möglich, eine krankheitswertige Störung vermieden werden! Als Psychotherapeutin empfehle ich, Handlungen zu setzen, anstatt passiv abzuwarten und zu lamentieren. Eine Selbsterfahrung im Rahmen einer Therapie wäre natürlich auch eine Möglichkeit. Die Sinnlosigkeit und Ohnmacht egal welcher Materie gegenüber, lässt sich am besten durch Selbstwirksamkeit bekämpfen.

Das Konzept der Selbstwirksamkeitserwartung wurde von dem Psychologen Albert Bandura entwickelt. Hierbei handelt es sich um die Erwartung einer Person, mithilfe eigener Kompetenzen gewünschte Handlungen erfolgreich ausführen zu können. Etwas aus eigener Kraft bewirken zu können, an sich zu glauben und auch in schwierigen Situationen selbständig handeln zu können, zeigt eine hohe Selbstwirksamkeit. Dazu gehört die Annahme, man könne als Person gezielt Einfluss auf die Dinge und die Welt nehmen, statt Veränderungen dem Zufall oder anderen äußeren Einflüssen zu überlassen. Selbstwirksamkeit ist ein Bedürfnis des Menschen. Je mehr Selbstwirksamkeit ein Mensch erlebt, umso höher wird seine/ihre Ausdauer bei der Bewältigung von Aufgaben. Gleichzeitig sinkt die Gefahr, an Angststörungen oder Depression zu erkranken. Ein positiver zirkulärer Effekt also.

Ein Problem wie den Klimawandel zu ignorieren macht die psychischen Folgen schlimmer. Hingegen den Weg aus der Isolation zu wagen, sich mit anderen zu solidarisieren, sich zu engagieren und auszutauschen erweist sich als günstig.

Aber, und hier zitiere ich aus einem Interview mit dem deutschen Ex-Politiker und evangelischen Theologen Ulrich Kasparick: „Ein Mensch, der sich in diesem Themenbereich engagieren will, braucht eine sehr gute seelische Hygiene, ein gutes seelisches Gegengewicht, positive seelische Energie, denn sonst verliert man den Verstand. Er muss auf sich gut aufpassen. Es ist eine große Gefahr. Das ist ganz, ganz wichtig. Das bedenken manche NGOs nicht. Deshalb ist es immer wieder gut, ein bisschen Abstand zu nehmen. Zumindest den Versuch zu machen, von außen drauf zu gucken. Dann auch unterscheiden zu lernen: Was ist mir möglich, was ist mir nicht möglich. Das Problem bei diesen Fragestellungen ist, dass man sich überfordert mit globalen Fragestellungen, das können wir individuell nicht hinkriegen und stattdessen zu sehen, was ist uns möglich, dann wieder wie bei Greta, den Schritt zu sehen und auch zu tun. Das ist bei vielen dann das Problem, es zu tun.“

Lebens- und Sinngewinn sind durch ein nachhaltigeres Leben möglich. Lieber sitze ich in der leeren Praxis und Sie streiken währenddessen für den Klimaschutz oder setzen Handlungen, die sich positiv auf Ihr seelisches Befinden und unsere Gesellschaft auswirken und ich hänge meinen Beruf an den Nagel, weil nicht Arten ausgestorben sind, sondern die depressiven Erkrankungen.