Was weltweit gerade einen Hype erlebt, kann nicht ganz
verkehrt sein: Zu Fuß im Wald spazieren! Das hört sich vergleichsweise banal
an, hat es aber in sich und hilft gegen die zunehmenden Gefühle der
Verunsicherung und Entfremdung, die mir Menschen in der therapeutischen Praxis
beschreiben.
Mia Eidlhuber schreibt im Standard vom 8. Juni 2019 über
dieses „weltweite-Slow-Nature-Movement“. In Japan heißt es Shinrin Yoku – das
Waldbaden, in China nennt man die Naturtherapie Senlinyú, in Korea Sanlimyok
und in Kalifornien nützt das Forest-Bathing, Forest Yoga oder das
Tree Hugging, um zur Ruhe zu kommen.
Sich also, statt mit gesenktem Kopf im Konsum unseres digitalen Gerätes zu erschöpfen, aufzumachen, in den Wald, zu gehen, stehen, innehalten, hinsetzen, atmen, staunen, hören, einatmen, dem Atem folgen, riechen, verweilen, lauschen, Gedanken ziehen lassen, und eine heilende Verbindung mit dieser wunderbaren Umgebung herzustellen, kann hier nur wärmstens empfohlen werden.
Sich mit der Natur zu verbinden, hilft bestimmt nicht nur der seelischen Ausgeglichenheit, es unterstützt uns vielleicht auch dabei, unsere klimabelastenden Gewohnheiten zu hinterfragen und abzulegen. Und dann kann es passieren, dass man erkennt, um wie viel leichter es sich lebt, wenn man die eigene Mobilität eingrenzt, Zug fährt (da ziehen auch manchmal Wälder vorbei), Tiere leben lässt und sich vegetarisch ernährt und mit weniger materiellen Dingen sein Auskommen findet.
So viel gewonnene Zeit um einfach nur im Wald herum zu
stehen und darin zu baden!
Die österreichische Klimaforscherin Helga Kromp-Kolb am 12. April 2019 in Linz beim „Streikenden Klassenzimmer“ der Fridays for Future Bewegung
Als Psychotherapeutin beschäftigen mich nicht nur die
Behandlung und Arbeit mit erkrankten Menschen. Ich überlege auch – nicht
zuletzt aus Eigennutz – wie man in Zeiten von Klimakrise, Politikverdrossenheit,
Unruhen, Kriegen, Gefahren der Aufrüstung, etc. überhaupt seelisch gesund
bleiben kann.
Zum einen hat unsere psychische Natur gute Methoden
entwickelt, (lebens)bedrohende Ereignisse, die nicht unmittelbar verarbeitet
werden können, abzuwehren, abzuspalten, zu verleugnen oder zu verdrängen. Diese
Schutzmechanismen sind überlebensnotwendig. Anders würden Menschen traumatische
Erfahrungen nicht verarbeiten können.
Ich beobachte diese Phänomene besonders in der derzeitigen
Klimadiskussion. Nicht nur Politiker, sondern auch kritisch denkende Menschen
schalten auf „Durchzug“, wenn das Wort Klimakrise fällt. Es ist ein großes
Thema, das wenn man es angeht, sämtliche vorhandenen Systeme weltweit
(Wirtschaft, Handel, Leben, Konsum, Mobilität, Ernährung, Verteilung, Wohnen,
soziale Gerechtigkeit etc.) in Frage stellt. Ich behaupte, den Klimawandel zu
ignorieren oder gar zu leugnen, wie es besonders im Umfeld von
rechtspopulistischen Parteien geschieht, ist die größte Verdrängungsleistung
der Menschheit.
Wie sollte man daher
idealerweise mit Katastrophen umgehen? Wie sollte man darüber sprechen?
Denn, wenn das Problem zu groß ist (oder zu groß gemacht
wird), ignorieren es die Menschen einfach, werden passiv und geben auf. Das
passiert viel eher, als dass der Einzelne/die Einzelne Anstrengungen unternimmt,
etwas dagegen zu tun. Jemand anderem die Schuld zuzuschieben hilft auch nicht
weiter, ist aber natürlich einfacher. Dazu kommt, dass sich die meisten Menschen
in ihrem täglichen Alltag/Hamsterrad fangen lassen. Oder handelt es sich bei
dem „Fangenlassen“ auch wieder um Abwehr?
Was steht dieser
Entwicklung entgegen und was lässt sich tun?
Wenn die oben genannten Abwehrmechanismen nicht mehr ausreichend greifen, kann es so weit kommen, dass Menschen eine affektive Störung (z. B. eine Depression) entwickeln. Greta Thunberg, die Ikone der Klimabewegung, ist das in jüngeren Jahren passiert.
Selbstverständlich sollte, wenn irgendwie möglich, eine
krankheitswertige Störung vermieden werden! Als Psychotherapeutin empfehle ich,
Handlungen zu setzen, anstatt passiv abzuwarten und zu lamentieren. Eine Selbsterfahrung
im Rahmen einer Therapie wäre natürlich auch eine Möglichkeit. Die
Sinnlosigkeit und Ohnmacht egal welcher Materie gegenüber, lässt sich am besten
durch Selbstwirksamkeit bekämpfen.
Das
Konzept der Selbstwirksamkeitserwartung
wurde von dem Psychologen Albert Bandura entwickelt. Hierbei handelt es sich um
die Erwartung einer Person, mithilfe eigener Kompetenzen gewünschte Handlungen
erfolgreich ausführen zu können. Etwas aus eigener Kraft bewirken zu können, an
sich zu glauben und auch in schwierigen Situationen selbständig handeln zu
können, zeigt eine hohe Selbstwirksamkeit. Dazu gehört die Annahme, man könne
als Person gezielt Einfluss auf die Dinge und die Welt nehmen, statt
Veränderungen dem Zufall oder anderen äußeren Einflüssen zu überlassen.
Selbstwirksamkeit ist ein Bedürfnis des Menschen. Je mehr Selbstwirksamkeit ein
Mensch erlebt, umso höher wird seine/ihre Ausdauer bei der Bewältigung von
Aufgaben. Gleichzeitig sinkt die Gefahr, an Angststörungen oder Depression zu
erkranken. Ein positiver zirkulärer Effekt also.
Ein Problem wie den Klimawandel zu ignorieren macht die
psychischen Folgen schlimmer. Hingegen den Weg aus der Isolation zu wagen, sich
mit anderen zu solidarisieren, sich zu engagieren und auszutauschen erweist
sich als günstig.
Aber, und hier zitiere ich aus einem Interview mit dem
deutschen Ex-Politiker und evangelischen Theologen Ulrich Kasparick: „Ein Mensch, der sich in diesem
Themenbereich engagieren will, braucht eine sehr gute seelische Hygiene, ein
gutes seelisches Gegengewicht,
positive seelische Energie, denn sonst verliert man den Verstand. Er muss auf
sich gut aufpassen. Es ist eine große Gefahr. Das ist ganz, ganz wichtig. Das
bedenken manche NGOs nicht. Deshalb ist es immer wieder gut, ein bisschen Abstand zu nehmen. Zumindest den
Versuch zu machen, von außen drauf zu gucken. Dann auch unterscheiden zu
lernen: Was ist mir möglich, was ist mir nicht möglich. Das Problem bei diesen
Fragestellungen ist, dass man sich überfordert mit globalen Fragestellungen,
das können wir individuell nicht hinkriegen und stattdessen zu sehen, was ist uns möglich, dann wieder wie
bei Greta, den Schritt zu sehen und auch zu tun. Das ist bei vielen dann das
Problem, es zu tun.“
Lebens- und Sinngewinn sind durch ein nachhaltigeres Leben möglich. Lieber sitze ich in der leeren Praxis und Sie streiken währenddessen für den Klimaschutz oder setzen Handlungen, die sich positiv auf Ihr seelisches Befinden und unsere Gesellschaft auswirken und ich hänge meinen Beruf an den Nagel, weil nicht Arten ausgestorben sind, sondern die depressiven Erkrankungen.
In meiner Arbeit als Supervisorin darf ich Einblick nehmen in die medizinische und pflegerische Arbeit von MitarbeiterInnen einer onkologisch-palliativen Abteilung eines Krankenhauses.
Dort sind die Diagnoseverkündigung und Begleitung schwerkranker und sterbender Menschen in schwierigen Stunden Teil der täglichen Routinearbeiten. Doch die hochindividuelle Betreuung ist alles andere als Routine. Ich bin wirklich beeindruckt, wie sensibel und umsichtig die MitarbeiterInnen mit ihren anvertrauten PatientInnen umgehen. Das Bestmögliche aus der tragischen Situation zu machen, ist ihr allererstes Anliegen. Dasein, halten, begleiten, aushalten, mittragen, zuhören, Tränen trocknen, reden und nebenbei alle therapeutischen Maßnahmen durchzuführen sind die Arbeitsaufgaben der BehandlerInnen.
Bei der supervisorischen Fallbesprechung stellen wir fest, wie sehr die Arbeit mit dieser PatientInnengruppe auch bereichert. Wir sind alle miteinander dankbar für unser Leben, für jeden Tag, für unsere Gesundheit, für unsere Handlungsfähigkeit, für unsere Entscheidungsfähigkeit, für unser Da-Sein für unsere Liebsten im Hier und Jetzt. Heute findet das Leben statt. In diesem Moment. Während Sie diese Zeilen lesen Leben Sie, leben Sie jetzt! Warten Sie nicht, bis Ihr Leben besser ist, oder bestimmte Ziele erreicht sind. Wir leben nur im Augenblick wirklich. Danke für diese Erinnerung in meiner wunderbaren Arbeit!
Ina Regen ist die musikalische Entdeckung des letzten Jahres. Die freundliche Musikerin hat lange an ihren Traum geglaubt und gebastelt, um endlich groß durchzustarten, was ihr hervorragend gelungen ist. Ihre Lieder bewegen und sind aus der Seele geschrieben und für unsere regionale sprachliche Herkunft so verständlich, weil es unser Dialekt ist, der die Themen umsetzt. Dieses Lied ist wunderbar und ermutigend und hilft aus der Angsthasenstarre heraus!
Jon Kabat-Zinn hat eine wirksame Methode entwickelt, die er und seine MitarbeiterInnen in der von ihm gegründeten Stress Reduction Clinic in Massachusetts tausendfach klinisch erprobt haben: MBSR (Mindfulness Based Stress Reduction) – auf deutsch: Stressreduktion durch Achtsamkeit.
MBSR ist eine effektive Selbsthilfemethode, die im Gesundheitsbereich, in pädagogischen
und sozialen Einrichtungen weltweit erfolgreich eingesetzt wird. In den klar strukturierten
8-Wochen-Kursen lernt man in einer Gruppe und vor allem zuhause mit Hilfe einer
Übungs-CD achtsamer mit sich selbst umzugehen und dadurch ein anderes, neues
und bekömmlicheres Stressmanagement zu erreichen.
Die Methode besteht aus drei Grundübungen: Body Scan (eine Körperwahrnehmungsübung, die der Konzentration und
der Entspannung dient), verschiedene Formen der Achtsamkeitsmeditation im Sitzen, Gehen, bei alltäglichen Arbeiten
etc., sowie achtsam ausgeführte Körperübungen
(ähnlich wie bei Yoga).
Achtsamkeit ist eine Kunst, die uns erlaubt den unmittelbaren Moment – das Hier und Jetzt – zu erleben. Viele Menschen (zumindest jene, die mir in meiner Therapiepraxis einen Einblick in ihr Erleben geben) neigen dazu, entweder in der Vergangenheit zu leben oder sich Sorgen um die Zukunft zu machen. Das Jetzt bleibt ausgespart und somit auch das Erleben und Sein und die Gelegenheit Glück zu erfahren. Ein bewussteres Umgehen mit unserem Körper, unseren Gedanken, unseren Gefühlen und unseren Wahrnehmungen lässt sich durch Achtsamkeitstraining fördern. Durch das Gewahrsein der eigenen Lebendigkeit von Moment zu Moment haben wir die Chance, unser Leben auch im Angesicht von schwierigen Situationen harmonischer und erfüllter zu gestalten. Oder wie Jon Kabat-Zinn es ausdrückt: „zu ruhen im ganz normalen Wahnsinn des Alltags“.
Buchtipps zum Weiterlesen: Ruhe im Alltag finden und Gesund durch Meditation (beide von Jon Kabat-Zinn).
Marie-Theres Egyed schreibt mir im Standard-Kommentar vom 1. März 2019 von der Seele. Psychotherapie sollte, wie jede andere Krankenbehandlung auch: kostenfrei, ausreichend und zweckmäßig für alle Menschen, die diese benötigen zur Verfügung stehen. Hier ihre Ausführungen.
Psychotherapie auf Krankenschein wäre ein erster Schritt, die Krankheiten zu enttabuisieren und den Betroffenen Perspektiven aufzuzeigen.
Knapp jeder fünfte Österreicher erleidet im Laufe seines Lebens eine psychische Krankheit, Tendenz steigend. Depressionen, Burnout, Angststörungen oder Demenz, es kann jeden treffen. Wie die Betroffenen versorgt werden, hängt von Wohnort, Sozialversicherung und Einkommen ab. Das ist erschreckend. Diese Krankheiten sind belastend: für Betroffene, ihre Angehörigen und – unbehandelt – auch für die Gesellschaft. Die Versorgung durch und das Angebot an Psychotherapie ist regional ungleich verteilt, zwischen den Bundesländern und Trägern schlecht koordiniert – und für die Betroffenen einfach unzumutbar, wie der Rechnungshof bestätigt. Denn bei körperlichen Krankheiten gibt es – beinahe selbstverständlich – eine Therapie auf Krankenschein, bei psychischen Krankheiten nicht. Die Gebietskrankenkassen haben Verträge mit Versorgungsvereinen für ein bestimmtes Stundenkontingent abgeschlossen. Reicht das nicht aus, muss der Patient die Kosten für eine Therapie vorstrecken, der Betrag, der von den Kassen rückerstattet wird, ist verschwindend gering. Dabei müsste doch der Staat ein Interesse daran haben, niederschwellige Angebote zu schaffen, damit es bei einer einmaligen Erkrankung bleibt und sie sich nicht zu einem chronischen Zustand verfestigt. Denn die Folgekosten für Krankenstand, Berufsunfähigkeit, Rehabilitation sind enorm. 300 Millionen Euro betrugen die Mehrkosten für Krankheitsfolgen im Jahr 2016. Trotzdem werden psychische Krankheiten hierzulande weiterhin wie Krankheiten zweiter Klasse behandelt. Das ist kurzsichtig und ein klares Versäumnis in der Gesundheitspolitik. Betroffene sind mit einem Stigma behaftet und mit Scham belastet. Psychotherapie auf Krankenschein wäre ein erster Schritt, die Krankheiten zu enttabuisieren und den Betroffenen Perspektiven aufzuzeigen.
Achtung: Hier wird ein Geheimnis gelüftet!!! Hier schreibe ich, was Eltern stark macht – besonders wenn die Erziehungssituation mit ihren Kindern fordert.
Also, eigentlich schreiben es Haim Omer und Philip Streit in ihrem Buch: Neue Autorität: Das Geheimnis starker Eltern. Was sie zu sagen haben ist so gut, dass es alle Eltern, Lehrer, Sozialpädagogen und Betreuer wissen sollten.
Das Konzept der Neuen Autorität ist derzeit in aller Munde.
Mir gefällt’s auch und ich erlebe es als Mutter, in der Elternberatung, im
Umgang mit Kindern- und Jugendlichen und in der Supervision in Arbeitsfeldern
mit oppositionellen Kindern und Jugendlichen oder beeinträchtigten Menschen,
dass es ein sowohl einfaches wie brauchbares und wirkungsvolles Konzept
darstellt.
Worum geht’s im Groben? Um eine Verknüpfung von Autorität und Beziehung.
Das Konzept der Neuen
Autorität bezieht sich auf folgende
Grundprinzipien:
Elterliche
Ankerfunktion: Eltern sind sicherer Hafen. Dazu müssen sie selbst gut
verankert sein und von ihrer Selbstwirksamkeit überzeugt sein (vs hilflos und
ratlos!). Sie sind Struktur- und Regelgeber, sind präsent, üben sich in
wachsamer Sorge, unterstützen, kontrollieren sich selbst und deeskalieren.
Präsenz:
Eltern kümmern sich um gute Abläufe und nehmen Verantwortung für das familiäre
Klima und die Gestaltung der Beziehung zwischen ihnen und ihren Kindern. In
Konfliktsituationen versuchen sie zu deeskalieren, z. B. indem sie nicht
unüberlegt überregieren, sondern etwas später reagieren: „Schmieden Sie das Eisen, wenn es kalt ist.“ (S. 35). Beide Eltern
sollten gemeinsam handeln und sich bei Bedarf auch von Großeltern, Onkeln,
Tanten, Freunde, Lehrer unterstützen lassen.
Wachsame
Sorge: Eltern beteiligen sich verantwortungsbewusst am Leben ihrer Kinder.
Eltern stärken ihre Kinder Eigenverantwortung zu entwickeln. Die wachsame Sorge
hat nichts mit Überbehütung oder Überwachung zu tun.
Deeskalation
und Selbstbeherrschung: Möglichkeiten sind z. B. seine Reaktion zu verzögern,
wertschätzend und konstruktiv zu kommunizieren, das Wir betonen statt dem Ich und dem Du, Fehler zugeben und korrigieren,
beharren statt besiegen und Beziehungsgesten einsetzen (S. 73).
Unterstützung:
Der Autor fordert: Geben Sie Ihre Privatsphäre auf, stehen Sie zum Problem und
nehmen Sie Helfer an Board!
Präsenz
und Widerstand statt Bestrafen und Belohnen: Dieser von Omer entwickelte Widerstand
stärkt die Eltern und die Eltern-Kind Beziehung. Es werden klare Tipps zur
elterlichen Kommunikation (Wir-Botschaften) und der Durchführung von
Sitzstreiks gegeben.
Wiedergutmachung
als Verstärkung von Entschuldigungen.
Eltern nehmen eine neue Haltung an. Sie widerstehen Provokationen, regen eine Widergutmachung an und fordern Unterstützung ein. Es geht in diesem Konzept auch um das notwendige elterliche „NEIN“. Der Ratgeber ist ein Plädoyer für das freudvolle familiäre Miteinander. Dringende Empfehlung Lesen und Ausprobieren!
Als Psychotherapeutin bin ich oft sehr weit weg von der Welt, im zeitlosen Raum der Therapiestunde mit meiner Klientin oder meinem Klienten. Wir versuchen Lösungswege zu finden, die Leidenszustände verringern und neue Möglichkeitsräume herstellen. Es geht um das Individuum, dem Menschen, der vor mir sitzt, es geht aber auch um die Systeme (Beziehungen, Familie, Arbeitsplatz usw.), in denen sich dieser Mensch bewegt. Und da kommt dann auch wieder die Welt ins Spiel. Genauso in den Supervisionsprozessen: Es geht nicht nur um Helfer oder Helferin und Hilfesuchenden, es geht um das System, in dem sich das ganze abspielt, die Arbeitswelt, die Politik, letztendlich der Gesellschaft, der Welt.
Und was hat jetzt wieder der Klimawandel mit dem Leidenszustand Einzelner zu tun? Schon auch was, denke ich. Diese Passivität, dieses Lamentieren: Dass nichts geschieht von oben, dass es ja nicht reicht, wenn ein paar Hanseln was machen, dass ja Zeit und Einfluss fehlt und dass all diese Beschreibungen die eigene Handlungsunfähigkeit unterstreichen und verstärken. Und was möchte ich als Psychotherapeutin in Menschen anregen: Handlungsfähigkeit, raus aus der Passivität, raus aus der Opferhaltung, raus aus der selbsterfüllenden Prophezeihung, dass sich nichts bewegt, … . Und die gewonnene Handlungsfähigkeit schafft dann tatsächliche Möglichkeiten in allen Lebensbereichen und in den Beziehungen. Man kann sie nutzen, für Diskussionen, für das Austragen von Konflikten, für das Tätig werden, für das Mitformen von Zukunft. Das fördert auch die psychische Gesundheit, mit Sicherheit.
Der Ökonom Fred Luks schreibt im heutigen Standard im „Kommentar der Anderen“ über die richtigen Wege in die Zukunft in puncto Klimawandel. Er sagt : „Der Klimawandel wird nicht durch „magischen Wandel“ und „grüne Wunder“ (Anmerkung: wie es die Zukunftsforscher Horx und Dettling erhoffen) verhindert werden, sondern durch gesellschaftliche Aushandlungsprozesse, Konflikte und Streit über die richtigen Wege in die Zukunft. Nachhaltigkeit muss auch dahin gehen, wo’s wehtut. Nur dann werden wir Fortschritt, Zukunftsfähigkeit und Schönheit zusammenbringen. Wetten?“
Dazu braucht es handlungsfähige Menschen, die in Beziehung gehen können und wollen. Psychotherapie kann dabei Unterstützung sein, sich vom eigenen System in größere Systeme gedanklich und in Taten zu bewegen. Man muss nur damit anfangen und aus dem eigenen System rauskommen. Wetten!?
Ab März 2019 wird meine Kollegin Barbara Schusterbauer als Untermieterin in meiner Praxis arbeiten.
Das ist die logische Konsequenz aus meinem Vorhaben, 2019 mehr zur Klimawende beizutragen. Ich will für mich die Ausrede, ökologisch leben kann ich mir zeitlich nicht leisten, nicht mehr gelten lassen. Ich befasse mich schon einige Zeit mehr theoretisch als praktisch mit dem Thema Klimaveränderung und Verteilungsgerechtigkeit. Als naturwissenschaftlich orientierte Menschin glaube ich den Worten der Klimaforscher. Eine davon, die Österreicherin Helga Kromp-Kolb meinte letzte Woche sinngemäß in der Ö1-Sendung Radio Kolleg: „Es genügt nicht mehr, selber das Richtige zu tun, sondern man muss auch Druck machen auf jene, die sich noch nicht beteiligen.“
Ich versuche in meinem Leben, wenn möglich auf unnötige Konsumgüter zu verzichten. Ich fahre Bahn und (Elektro)-Rad und immer seltener Auto. Ich vermeide, wenn irgendwie möglich Flugreisen, was mir als ehemalige Globetrotterin sehr schwer fällt. Ich versuche mehr und mehr das Plastik aus meinem Leben zu verbannen. Kleine Schritte, aber doch … . Und weil es eben nicht mehr reicht, nur sein eigenes Leben zu verändern, um die Klimawende hinzukriegen, neige ich auch dazu, auch den Menschen um mich herum davon zu erzählen (wie in diesem Blog-Beitrag). Ich bin optimistisch und will handlungsfähig bleiben und lasse die Argumente: „Einer alleine kann ja nix ändern, das bringt ja nichts, …“, nicht mehr gelten. Alle bedeutenden Revolutionen gingen vom Volk und von Einzelnen aus. In Ried formiert sich gerade ein Verein (TRAFOS), der „Nachhaltig leben im Innviertel“ fördern möchte, indem er vernetzt und Leute zusammenbringt, die Veränderung leben möchten. Die Homepage ist gerade am Werden und orientiert sich an einem fantastischen Projekt, dass zwei engagierte Frauen in Graz gestartet haben: www.nachhaltig-in-graz.at. Und dann sagt noch einer, eine alleine kann nichts verändern!
Meine Praxis als Co-Working Platz zu öffnen ist auch ökologisch sinnvoll. So freue ich mich darauf, dass Barbara Schusterbauer als Kollegin und Psychotherapeutin (in Ausbildung unter Supervision) mit der Fachrichtung Personzentrierte Psychotherapie das psychotherapeutische Angebot in Ried bereichert!
Meine Praxiszeiten schränken sich deshalb ein und sind:
Mo 17.00 -20.00 Uhr
Di 10.00 -13.00 Uhr
Mi 8.00 -13.00 Uhr und 18.00-20.00 Uhr
Fr 8.00 -16.00 Uhr
Ich biete als Kooperationspartnerin des Kinderhilfswerk kostenfreie Therapiestunden für Kinder- und Jugendliche an und als Mitarbeiterin bei PROGES und der Gesellschaft für Psychotherapie kostenfreie Kassenplätze für Erwachsene an. Psychotherapie sollte allen zur Verfügung stehen, die sie brauchen unabhängig von der jeweiligen wirtschaftlichen Situation des Hilfesuchenden/der Hilfesuchenden. (Stichwort: Verteilungsgerechtigkeit). Natürlich hat kostenfreie Therapie Wartezeiten, aber diese werden kürzer, da das Angebot im Vorjahr ausgebaut wurde.
Infos und Kontaktdaten finden Sie auf meiner Homepage!
Nachdem der vorletzte Blog-Beitrag vom Ende des Lebens handelte, braucht es auch wieder etwas von der anderen Seite des Lebensspektrums: Die Zeit der Pubertät ist eine besondere Entwicklungszeit, in der sehr viele Weichen für das spätere Leben gestellt werden. Der Totalumbau des jugendlichen Gehirns ist der Grund, warum Jugendliche beispielsweise sehr kreativ sind.
Sarah-Jayne Blakemore bringt uns mit ihrem vor kurzem erschienenem Werk: Das Teenager Gehirn –Die entscheidenden Jahre unserer Entwicklung auf den aktuellen Forschungsstand was vor allem das pubertierende Gehirn anbelangt. Die Professorin für Kognitive Neurowissenschaften schreibt Ihre Erkenntnisse so nieder, dass sie auch vom interessierten Laien ohne Vorwissen leicht gelesen werden können.
Durch die neueren
Forschungsmethoden (funktionelle MRI-Untersuchungen statt Gehirnschnitte) lässt
sich Folgendes über Teenagergehirne und die Zeit der Pubertät sagen:
Das Gehirn befindet sich in einem totalen Umbau, der mit ca. 11-12 Jahren beginnt und erst mit ungefähr 25 Jahren abgeschlossen ist. Danach bleibt das Gehirn weiter plastisch und bleibt veränderbar.
Es handelt sich um eine wertvolle Entwicklungsphase, die mit verstärkter Kreativität und unkonventionellem Denken, Energie und Leidenschaft daherkommt (S. 252). Jugendliche tun sich leichter als Erwachsene, sich originelle Ideen und Lösungen für Probleme auszudenken.
Diese Phase ist dann zu Ende, wenn der Heranwachsende seinen oder ihren Platz in unserer Gesellschaft gefunden hat und mehr weiß, wer er oder sie sein möchte.
Das Hochrisikoverhalten der jungen Erwachsenen wird eher durch die Beobachtung von Peers gepusht und ist nicht per se Teil des Verhaltensspektrums. Auch soziale Medien wie Facebook, Instagram oder Snapchat bedienen den Eindruck, beobachtet zu werden und was andere über den Poster denken, ist nicht unwesentlich (S. 48f.) Stichwort: „Likes“. So sind junge Leute häufiger in Unfälle verwickelt, wenn ein Beifahrer dabei ist. Auch Straftaten begehen Jugendliche eher, wenn sie mit Freunden zusammen sind. Das Risikoverhalten und die besondere Neugier von Teenager sind aber dringend notwendig, damit sie erfolgreich sein können. Durch das in Kauf nehmen von Risken, wagen sie es, Fragen zu stellen, Entscheidungen selbständig zu treffen und sich auszuprobieren. „Teenager sollten ermutigt werden, die richtigen Risiken auf sich zu nehmen!“ (S. 245f.)
In der späten Adoleszenz (18.-25. Lebensjahr)
ist das Gehirn besonders anfällig für psychische Krankheiten wie krankhafte
Wahnvorstellungen, Halluzinationen, Essstörungen und Depressionen. In dieser
Zeit manifestieren sich leider bei manchen Menschen entwicklungsbedingte
Störungen wie die Schizophrenie. Man vermutet u. a. eine genetische Komponente,
Drogenkonsum (insbesondere Cannabisgebrauch), Stadtleben, Ablehnung, soziale
Isolationen als Risikofaktoren für die Entstehung von Schizophrenie.
Cannabiskonsum vor dem 18. Lebensjahr ist für
die kognitiven Fähigkeiten schädlicher als der Konsum in späteren Jahren. Die
Studien zeigen auch, dass Alkoholkonsum in jungen Jahren weniger „Sofortnachteile“
wie Kater oder Müdigkeit hat.
Interessanterweise wurde noch kaum darüber
geforscht, wie sich Medienkonsum auf die Gehirne von Heranwachsenden auswirkt.
Wir wissen praktisch nichts darüber.
Das Gehirn von Heranwachsenden unterscheidet
sich physisch von dem, kleinerer Kinder und dem Erwachsener.
Jugendliche hätten einen anderen Wach- und
Schlafrhythmus würden wir es zulassen. Es wäre förderlich, würde die Schule
erst am späten Vormittag beginnen und länger dauern. Viele leiden am Wochenende
an einem „sozialen Jetlag“ und holen den versäumten Schlaf tagsüber nach.
Die Phase von Sturm und Drangs geht einher mit unkontrollierbaren und
widersprüchlichen Gefühlen. Energie und Überschwang folgen oft rasch
Gleichgültigkeit, Teilnahmslosigkeit und Melancholie.
Kinder brauchen zum Großwerden und Gedeihen
dauerhafte Förderung und Forderung, eine fürsorgliche Umgebung und emotionale
Unterstützung. Vernachlässigung von Kindern ist auch für die Gehirnentwicklung
schädlich. Das kann ich unterstreichen. Aus der psychotherapeutischen Arbeit
kenne ich Eltern, die denken, wenn ihr Kind 14 ist, braucht es kaum mehr
Unterstützung, da es schon so selbständig ist. Oft wird ihnen ihr Irrtum erst
Jahre später bewusst. Ich glaube nicht, dass dem so ist. Dranbleiben, die
Beziehung halten und da sein, wenn Bedarf signalisiert wird bestimmt, welches
Ich, welches Selbst ein Kind entwickelt.
Die Adoleszenz ist eine spannende Zeit und die
Erinnerungen an Erlebnisse dieser Zeit bleiben lebhafter und halten länger an,
als solche in anderen Lebensphasen.
„Die Adoleszenz ist die Lebensphase, in der
wir ein weitrechendes Gespür für uns selbst entwickeln und insbesondere darauf
achten, wie andere uns sehen. Der lange Weg der Adoleszenz rüstet uns mit einem
Gefühl der eigenen Identität und einem Verständnis für andere Menschen aus, so
dass wir zu selbständigen Erwachsenen werden können, die nicht mehr so stark
auf ihre Eltern und Familien angewiesen sind und sich in der Gruppe der
Gleichaltrigen etablieren. Die Adoleszenz ist ebenso wie die Kindheit eine Zeit
der Entwicklung und des Wandels. … Das
Teenagergehirn ist nicht kaputt. Die Adoleszenz ist eine Lebensphase, in der
das Gehirn wichtige Veränderungen durchmacht: Das sollten wir verstehen,
fördern und uns darüber freuen (S. 260ff.).