So titelt ein Artikel im Dossier der Zeit vom 22. August dieses Jahres. Einmal mehr wird der kritische psychische Zustand von Kindern und Jugendlichen ins Visier genommen. Was hier geschrieben steht, erlebe ich in meiner psychotherapeutischen Praxis ebenso.
Psychische Probleme haben in den letzten zwei Jahrzehnten massiv zugenommen: Fast jedes vierte Kind zeigt psychische Auffälligkeiten. Schädliche Megatrends wie unzureichende Maßnahmen gegen den Klimawandel, die unsichere digitale Welt, soziale Ausgrenzung, unsichere Arbeitsverhältnisse, eingeschränkter Zugang zu bezahlbarem Wohnraum und die Ungleichheit zwischen den Generationen werden von einer globalen Krise befeuert. Die Gegenwart und Zukunft für junge Menschen scheint düster. Eine Reaktion darauf sind internalisierende Störungen. So ziehen sich Betroffene mehr zurück und reagieren mit depressiven und ängstlichen Zügen oder entwickeln Somatisierungsstörungen (körperliche Symptome ohne organische Grundlage). Das ist eine neue Tendenz von Störungen bei jungen Menschen, richteten sich früher die Symptome mehr nach Außen in Form von aggressiven oder dissozialen Reaktionen.
Wie zeigen Kinder und Jugendliche ihre Not?
Warnsignale für Eltern sind u. a. Rückzug, wenn Kinder Dinge verheimlichen, lügen, in der Schule schlechter werden oder schwänzen. Kinder, die viel weinen oder zwanghaftes Verhalten entwickeln (häufiges Händewaschen), Gewichtsabnahme, Schlafstörungen oder hohe Reizbarkeit zeigen, machen darauf aufmerksam, dass es ihnen nicht gut geht. Die Grenzen zur Essstörung, Selbstverletzung und Suizidalität sind fließend. Haus- oder Kinderärzt:innen, Familienberatungsstelle (des Landes OÖ), mobiles Familiencoaching (Diakonie), Verein Kinderhilfswerk, Kinder- und Jugendhilfe (in den Bezirken), Clearingstelle für Psychotherapie, Psychotherapeut:innen, Psycholog:innen (Projekt: Gesund aus der Krise) und psychiatrische Kinder- und Jugendlichen-Ambulanzen in den Spitälern sind Anlaufstellen. Die Wartelisten sind leider oft lange und Hilfesuche für die ohnehin schon gebeutelten Eltern zermürbend.
Was hilft, bevor es soweit kommt? Stichwort Prävention?
Viele der Risikofaktoren sind strukturelle Probleme und lassen sich nur mit politischem Willen lösen. Ein Schul- oder Gesundheitssystem, das an allen Ecken kracht und überlastet ist, hilft wenig, beim besten Zutun aller Protagonisten.
Eltern sind gefordert Vorbild zu sein. Über die eigenen Gefühle zu sprechen, offen Sorge oder Traurigkeit zu zeigen, aber auch, dass die Gefühle einen nicht übermannen, sondern das Leben weitergeht. Es hilft, wenn Eltern selber gelernt haben, unklare Situationen auszuhalten: Unsicherheitstoleranz ist gefragt!
Eltern müssen die Traurigkeit ihrer Kinder aushalten, „Stimmungsschwankungen sollte man nicht wegheitern“, schreibt Stefanie Kara und Jan Schwenkenbecher in der Zeit. Da sein, ein offenes Ohr haben, den Kindern eine Struktur geben, durchaus auch mit Regeln und Sanktionen sind Hilfestellungen für eine gute mentale Gesundheit. Eltern sollen sich darin üben, ihren Kindern etwas zuzutrauen. Damit erhalten sie die Botschaft: Du kannst das, ich trau es dir zu. D. h. negative Erfahrungen nicht präventiv aus dem Weg räumen um die Kinder zu entlasten. Scheitern und Frust zulassen. Stichwort soziale Medien: diese seien besonders dann gefährlich für die Psyche, wenn es einem psychisch ohnehin nicht so gut geht. Von psychotherapeutischer Seite wird geraten, diese vor allem dann einzuschränken, wenn sich das Kind zurückzieht. Das bringt Konflikte, aber da müsse man als Eltern durch, sagen die Experten. Kein Handy beim Essen oder nach 20.00 Uhr ist eine mögliche Regel, der man auch als Eltern folgen sollte. Ein geregelter Tagesablauf, feste Schlafenszeiten, regelmäßige Mahlzeiten, den jungen Leuten im Alltag nicht alles abnehmen – das alles ist gut für die psychische Gesundheit.
Bei aller Schwere, medial, in der Familie, im Leben der Jugendlichen, das Leben muss weitergehen. Das Leben geht weiter. Machen wir das Beste daraus!